Nach ihrem Debüt
Die Sommer
legt Ronya Othmann den zweiten Roman vor: ein ergreifendes literarisches Zeitzeugnis.
«Ich habe gesehen. Das Ich ist ein Zeuge. Es spricht, und doch hat es
keine Sprache.» So beschreibt sie den Vorgang des Erzählens. Sie will
eine Form finden für das Unaussprechliche, den Genozid an der êzîdischen
Bevölkerung, den vierundsiebzigsten, verübt 2014 in Shingal von
Kämpfern des IS.
Vierundsiebzig
ist eine Reise zu den Ursprüngen, zu den Tatorten: in die Camps und an
die Frontlinien, in die Wohnzimmer der Verwandten und weiter in ein
êzîdisches Dorf in der Türkei, in dem heute niemand mehr lebt. Es geht
darum, hinzusehen, zuzuhören, Zeugnis abzulegen, Bilder und Berichte mit
der eigenen Geschichte zu verbinden, mit einem Leben als Journalistin
und Autorin in Deutschland.
Ronya Othmann erschafft ein Werk von ungeheurer Dichte, notwendiger
Klarheit und Härte. Ihre Stimme ist eine der Diaspora, die auch in den
Lesenden tiefe Spuren hinterlässt.